Reimwörter und Reime

Ein Hauptmerkmal der Dichtkunst ist der Reim. Doch was genau versteht man darunter überhaupt und welche Unterscheidungskriterien gibt es, um Reime voneinander abzugrenzen? Darauf findet ihr hier antworten. Zudem stellen wir euch die unzähligen Reimarten vor, die die Lyrik im Laufe der Zeit hervorgebracht hat.

1. Definition: Reimwörter und Reime

1.1 Was sind Reimwörter?

Anhand des Begriffes selbst dürfte sich schon ableiten lassen, was "Reimwörter" sind. Reimwörter sind schlichtweg Wörter, die sich aufeinander reimen.

1.2 Was sind Reime?

Ein Reim ist eine klangliche Verbindung von mindestens zwei Wörtern. Diese Verbindung kann auf einzelnen Silben beruhen. Dann klingt der letzte betonte Vokal und die darauf folgenden Laute gleich. Man spricht vom sogenannten Silbenreim (auch Wortreim genannt). Silbenreime machen den Großteil aller Reime aus.
Die Wortverbindung kann sich aber auch nur auf einzelne Laute (Buchstaben) beschränken. In diesem Fall ist von einem Lautreim die Rede. Lautreime reimen lediglich im Konsonanten oder Vokal. Hiervon ist die Assonanz und der Stabreim betroffen.
Sowohl der Silbenreim als auch der Lautreim wird in unterschiedlichen Reimarten verwendet. Man kennt sie aus Gedichten bzw. aus deren Versen.

2. Reimwörter und Reime finden

"Was reimt sich auf...?" Das ist die zentrale Frage von denjenigen, die Reimwörter etwa für eigene Gedichte oder den Schulunterricht benötigen. Mit Hilfe unserer Suche lassen sich Antworten finden. Denn sie durchsucht unser Reimwörterbuch, in dem mehr als 43.000 Reimwörter enthalten sind.

3. Reimwörter Liste

Für einen schnellen Überblick empfehlen sich die folgenden Reimwörter Beispiele. Wer gezielt nach Reimwörtern Ausschau halten möchte, der sollte die Suche in unserem Reimwörterbuch nutzen.

4. Reimarten (Reimformen) - welche gibt es?

Reim ist nicht gleich Reim. Ganz im Gegenteil. Es gibt verschiedene Arten, die man anhand folgender Unterscheidungskriterien voneinander abgrenzt:

  1. Reimquantität (Umfang der Silbenzahl)
  2. Reimqualität (phonologische Struktur)
  3. Reimstellung (Position im Vers)
  4. Grammatisch-morphologische Besonderheiten
  5. Reimfolge (vertikale Reimanordnung)
  6. Sonderform: Stabreim

4.1 Reimquantität - Reime nach Umfang (Silbenzahl)

Die Quantität misst eine bestimmte Menge. Die Reimquantität tut dies anhand der Silbenanzahl, mit der zudem die Bestimmung der Kadenz (die Betonung der letzten Silbe eines Verses) verknüpft wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom "Reimgeschlecht" (weiblich / männlich). Hierbei wird unterschieden nach:

4.1.1 Einsilbig, männlich (stumpf)

Das Reimgeschlecht eines einsilbigen Reims bezeichnet man als" männlich". Laut akzentuierendem Versprinzip entspricht dies dem männlichen Versschluss. Dabei endet der Versschluss mit einer betonten Silbe (Hebung). Man bezeichnet ihn auch als "stumpf". Auf eine unbetonte Silbe folgt am Ende eine betonte Silbe.

Metrische Notation:
◡ — oder xX

Beispiel:
Es stand vor eines Hauses Tor
Ein Esel mit gespitztem Ohr.
Wilhelm Busch (1832-1908), aus: Kritik des Herzens

4.1.2 Zweisilbig, weiblich (klingend)

Das Reimgeschlecht eines zweisilbigen Reims bezeichnet man als "weiblich". Laut akzentuierendem Versprinzip entspricht dies dem weiblichen Versschluss. Dabei endet der Versschluss mit einer unbetonten Silbe (Senkung). Man bezeichnet ihn auch als "klingend". Auf eine betonte Silbe folgt am Ende eine unbetonte Silbe.

Metrische Notation:
— ◡ oder Xx

Beispiel:
Womit man denn bezwecken woll|te,
dass sich der Esel ärgern soll|te.
Wilhelm Busch (1832-1908), aus: Kritik des Herzens

4.1.3 Dreisilbig, gleitend (reich)

Ein dreisilbiger Reim wird als" gleitend" (reich) bezeichnet, wenn dessen Versschluss mit zwei unbetonten Silben (Senkungen) endet. Auf eine betonte Silbe folgen am Ende zwei unbetonte Silben.

Metrische Notation:
— ◡ ◡ oder Xxx

Beispiel:
Wunderschön Präch|ti|ge,
Große und Mäch|ti|ge
Johannes von Geissel (1796-1864), Titel: unbekannt

4.1.4 Mehrsilbig / vielsilbig, erweitert

Ein Reim mit mehr als drei Silben wird als "mehrsilbig" oder "vielsilbig", "erweitert" bezeichnet, wenn dessen Versschluss mit mindestens drei unbetonten Silben (Senkungen) endet. Auf eine betonte Silbe folgen am Ende mindestens drei unbetonte Silben.

Metrische Notationen:
— ◡ ◡ ◡ oder Xxxx
— ◡ ◡ ◡ ◡ oder Xxxxx
usw.

Beispiel:
Dun|kel | ist | die | Nacht,
da | fällt | man | schnell | in | ei|nen | Schacht.
Sprachnudel (2005-2023), Der Schacht

4.2 Reimqualität - Reime nach phonologischer (lautlicher) Struktur

Mit Hilfe der Reimqualität untersucht man Wörter nach der Klangfarbe ihrer Laute, sprich: wie gut sie sich aufeinander reimen. Hierbei unterteilt man:

4.2.1 Reiner Reim

Ist von einem reinen Reim die Rede, so meint man eine hörbare Übereinstimmung einer Lautfolge ab dem letzten betonten Vokal. Nach diesem Vokal sind die Reimsilben also klanglich gleich (Gleichklang). Sehr oft reimen sich dann die exakt gleichen Buchstaben in identischer Reihenfolge aufeinander.

Beispiele:
Jammer - Hammer
Dolch - Strolch

4.2.2 Unreiner Reim (Halbreim)

Der unreine Reim - auch Halbreim genannt - stellt zum reinen Reim einen Gegensatz dar, denn bei ihm ist der Gleichklang ungenau. Die Lautfolge ab dem letzten betonten Vokal ist klanglich ungleich. Obwohl nur eine annähernde Übereinstimmung der Lautfolge besteht, ist ein klanglicher Unterschied oftmals kaum zu hören. Der Grund hierfür liegt in der Reimbildung. Dabei unterscheidet man wie folgt:

4.2.2.1 Unreine Reime durch Lautverbindungen

Häufig werden unreime Reime mit ähnlich klingenden Lauten gebildet. Folgende Lautverbindungen werden dabei gerne verwendet:

  • ähnlich klingende Konsonanten, bspw: b und p, d und t, g und k, s und z, f und v oder s, ss und ß
  • ähnlich klingende Konsonantenverbindungen, bspw: x, chs, ks und cks
  • ähnlich klingende Vokale, bspw: e, ä und ö oder i und ü
  • ähnlich klingende Vokalverbindungen, bspw: ei und eu/äu/ai
  • der Buchstabe y mit i und ü

Beispiele:
R - Bus
Lachs - Dax
Jäger - Feger
Kaiser - heiser
Party - Vati

4.2.2.2 Unreine Reime durch Sprachtypen

Unterschieliche Sprachtypen können ebenfalls für unreime Reime verantwortlich sein. Zu nennen sind:

4.2.2.2.1 Unreine Reime durch natürliche Sprachen

Menschen sprechen auf der ganzen Welt verschiedene Sprachen. Hierbei können unreime Reime entstehen, da sich auch Wörter unterschiedlicher Sprachen reimen können.

Beispiele:
Maus (deutsch) - house (englisch)
Kind (deutsch) - mint (englisch)

4.2.2.2.2 Unreine Reime durch Dialekte

Aufgrund unterschiedlicher Dialekte bzw. deren dialektalen Lautungen werden Wörter je nach Region anders ausgesprochen, was zahlreiche unreime Reime zur Folge hat.

Beispiel:
Faxen - Haxn (Bayrisch für: Hachse)

4.2.2.3 Reimformen unreiner Reime

Man unterscheidet folgende Reimformen unreiner Reime:

4.2.2.3.1 Assonanz

Assonanz ist ein Lautreim. Sie liegt vor, sofern nur die Vokale (nicht aber die Konsonanten) in benachbarten Wörtern gleich klingen. Man spricht hierbei auch von einem "ungefähren sprachlichen Gleichklang" von zwei oder noch mehr Wörtern.

Beispiele:
legen - reden
wiegen - schmieren

4.2.2.3.2 Endsilbenreim

Bei einem Endsilbenreim reimt / reimen sich nur die letzte / die letzten, unbetonte(n) Silbe(n) und keine Betonungssilbe(n).

Beispiele:
Augen - Bogen
Haufen - Grafen

4.2.2.3.3 Historischer Reim

Beim historischen Reim führte die Aussprache eines Wortes zu einem früheren Zeitpunkt zu einem Gleichklang. Er war rein. Aufgrund der Sprachentwicklung - weil Wörter nun anders ausgesprochen werden - funktioniert der Reim allerdings nicht mehr. Dadurch ist er jetzt unrein.

Beispiel:
proved - loved (wurde früher "luved" ausgesprochen)

4.2.2.3.4 Konsonanz

Von Konsonanz - auch als Parareim bekannt - in benachbarten Wörtern spricht man bei einem Gleichklang ihrer Konsonanten, die sich vor oder nach ihrem jeweiligen vokalischen Silbenkern befinden. Daraus resultiert ein Übereinstimmen der Konsonanten.

Beispiele:
Laster - Bester
duster - düster

4.2.3 Erweiterter Reim

Beim erweiterten Reim reimen sich mehrere Silben und nicht nur die Endsilben. Folgende Reimformen fallen in diese Kategorie:

4.2.3.1 Doppelreim

Bei einem Doppelreim reimen sich neben den letzten beiden betonten Silben am Ende einer Verszeile auch deren Vokale mit denen der Folgezeile.

Beispiele:
feines Gebäck - kleines Gepäck
Baumwolle - Traumrolle

4.2.3.2 Mehrfachreim

Bei einem Mehrfachreim reimen sich nicht nur die letzten beiden betonten Silben am Ende einer Verszeile mit denen der Folgezeile, sondern auch mehr. Diese Reimart findet sich in klassischen Gedichten eher wenig. Rapper verwenden sie in ihren Raps hingegen häufiger.

4.2.3.3 Rührender Reim

Der rührende Reim lässt sich als eine Verknüpfung von Konsonanz und Endreim beschreiben. Hierbei besteht nicht nur ein Gleichklang der Versenden sondern auch der Konsonanten vor den betonten Reimsilben. Die beiden folgenden Formen werden unterschieden:

4.2.3.3.1 Äquivoker Reim

Der äquivoke Reim reimt homophone Wörter (Wörter mit einer unterschiedlichen Bedeutung aber gleicher Aussprache).

Beispiele:
Lärche - Lerche
Wahl - Wal

4.2.3.3.2 Identischer Reim

Der identische Reim ist ein Reim, der auf einer Wortwiederholung basiert. Hierbei besteht also nicht nur ein Gleichklang sondern auch eine orthographische Übereinstimmung, da die Reimwörter identisch sind.

Beispiel:
Liebe - Liebe

4.2.3.4 Schüttelreim

Bei einem Schüttelreim werden die Anlaute oder Anlautgruppen (bspw. kn und gn) der beiden zuletzt betonten Silben vertauscht.

Beispiel:
Dem Mädchen in der Bäckerei
schläft häufig nachts ein Recke bei.
Erich Mühsam (1878-1934), Schüttelreim

4.3 Reimstellung - Reime nach Position im Vers

Reime können sich an unterschiedlichen Positionen innerhalb eines Verses befinden. Anhand ihrer Reimstellung lassen sich diverse Reimformen erkennen.

4.3.1 Anfangsreim

Bei einem Anfangsreim - auch Eingangsreim genannt - reimt sich das erste Wort eines Verses mit dem ersten Wort des Folgeverses.

Beispiel:
Mein Gedicht ist kurz.
Klein ist fein.
Sprachnudel (2005-2023), Zeichenknappheit

4.3.2 Binnenreim

Bei einem Binnenreim steht mindestens eines der Reimwörter im Versinneren.

Beispiel:
Der Opa Hans, der will und kanns nicht lassen.
Sprachnudel (2005-2023), Opa Hans

Je nach Stellung der Reimwörter unterscheidet man:

4.3.2.1 Inreim

Bei einem Inreim - auch Innenreim genannt - stehen die Reimworte am Versende und im Inneren des Verses.

Beispiel:
In einem wunderschönen Haus wohnt der alte Klaus.
Sprachnudel (2005-2023), Klausi

4.3.2.2 Mittelreim

Bei einem Mittelreim reimen sich Wörter im Inneren von zwei aufeinanderfolgenden Versen.

Beispiel:
Ein uraltes Häuslein verlassen am Stadtrand steht,
ein kleines Mäuslein darin ihr Leben begeht.
Sprachnudel (2005-2023), Bruchbude

Eine spezielle Form des Mittelreim stellt der Zäsurreim dar.

4.3.2.2.1 Zäsurreim

Bei einer Zäsur handelt es sich in der Verslehre um einen Verseinschnitt (Sprechpause), der in der Regel in der Versmitte steht. Der Zäsurreim ist eine Variante des Mittelreims. Beim Zäsurreim gibt es drei Reimkonstellationen:

  1. Es reimen sich zwei Wörter vor der Zäsur eines Verses.
  2. Es reimt sich jeweils das Wort vor der Zäsur zweier aufeinander folgender Verse.
  3. Es reimt sich das Wort vor der Zäsur und das am Versende.

Beispiele:

  1. Man hastet und astet || so war es schon immer.
  2. Ein baufälliges Haus || ich will dort nicht mehr wohnen.
    Es lebt dort eine kleine Maus || sie fühlt sich sichtlich wohl.
  3. Ich liege gerne im Bett || verdammt, das macht mich fett.

Sprachnudel (2005-2023), Reime von einem anderen Stern

4.3.2.3 Mittenreim

Beim Mittenreim reimt sich das Wort am Ende einer Verszeile mit einem Wort aus dem Inneren der vorherigen oder der folgenden Verszeile.

Beispiel:
Dem Wetter möcht' ich Danke sagen,
keine Klagen, ich geh' schwimmen!
Sprachnudel (2005-2023), Danke für Nichts

4.3.2.4 Schlagreim

Bei einem Schlagreim folgen die reimenden Wörter direkt aufeinander.

Beispiel:
In Hecken verstecken sich gerne kahle Stellen.
Sprachnudel (2005-2023), Hecken

Weitere Formen des Schlagreims sind:

4.3.2.4.1 Echoreim

Der Echoreim unterteilt sich in zwei Formen:

  1. Beim Echoreim werden die reimenden Wörter von einem Wort getrennt und stehen nicht am Versende.
  2. Als Echoreim werden auch zwei nebeneinanderstehende Reimwörter bezeichnet, von denen das Zweite eine Antwort auf das Erste gibt.

Beispiele:

  1. Im Haus der Maus liegt Käse.
  2. Was sollte man nicht tun wenn Häuser brennen? Pennen!

Sprachnudel (2005-2023), Echoreime

4.3.2.4.2 Übergehender Reim

Der übergehende Reim "verbindet" zwei Verszeilen oder Strophen miteinander, indem die Reimwörter jeweils am Ende einer Verszeile und am Anfang der Folgezeile oder am Ende einer Strophe und am Anfang einer Folgestrophe stehen.

Beispiel:
Viele Hunde jaulen.
Maulen tun die Menschen.
Sprachnudel (2005-2023), Jaulendes Maulen

4.3.3 Endreim

Der Endreim - auch Versendreim oder Ausgangsreim genannt - ist die häufigste Reimform in Gedichten. Die Reimwörter stehen hier am Ende eines Verses und stimmen ab der letzten betonten Silbe überein.

Beispiel:
Schreien können Kinder.
Muhen tun die Rinder.
Sprachnudel (2005-2023), Gegensätze

4.3.4 Pausenreim

Von einem Pausenreim spricht man bei Reimen mit übergreifender Reimstellung innerhalb einer Strophe. Hierbei kann bspw. das erste Wort einer Strophe mit dem letzten Wort reimen. Dazwischen können reimlose Verszeilen stehen oder Verszeilen mit anderen Reimformen.

Beispiel:
Wasser haucht den Pflanzen Leben ein.
Die Knospen sprießen fein.
Das macht den Garten krasser.
Sprachnudel (2005-2023), Wasser macht krasser

4.3.5 Überschlagender Reim

Beim überschlagenden Reim reimt sich das erste und das letzte Wort einer Verszeile.

Beispiel:
Wasser macht nasser.
Sprachnudel (2005-2023), Schon gewusst?

4.4 Reime nach grammatisch-morphologischen Besonderheiten

Reime können sich grammatisch-morphologisch unterscheiden. Hierbei stehen die morphologischen Gesichtspunkte Wortbildung und Flexionsformen im Mittelpunkt. Folgende Reimarten lassen sich auf diese Weise abgrenzen:

4.4.1 Augenreim

Orthographisch betrachtet (dem Schriftbild nach) reimen sich die Wörter bei einem Augenreim. Phonetisch betrachtet (ihrer Aussprache bzw. der Klangfarbe ihrer Laute nach) tun sie es aber nicht.

Beispiele:
Absage - Bagage
Aktenlage - Bandage

4.4.2 Gebrochener Reim

Beim gebrochenen Reim "bricht" man das Reimwort nach der Reimsilbe auf. Dadurch entsteht ein Zeilensprung (Enjambement). Der erste Teil des Reimwortes reimt sich nun mit dem am Ende der Folgezeile stehenden Wort (Endreim). Der zweite Teil steht am Anfang der folgenden Verszeile.

Beispiel:
Er machte einen Corona-
Test bei Ramona.
Sprachnudel (2005-2023), Corona bei Ramona

4.4.3 Gespaltener Reim

Der gespaltene Reim ist ein mehrsilbiger Reim. Hierbei erstreckt sich mindestens ein Reimglied auf mehrere einzelne Wörter.

Beispiel:
Ist man frohen Mutes,
so wird es Zeit, man tut es.
Sprachnudel (2005-2023), Frohen Mutes

4.4.4 Grammatischer Reim

Beim grammatischen Reim besteht kein Gleichklang. Zwischen den Reimwörtern besteht "lediglich" eine morphologische Verbindung, die sich im gleichen Wortstamm oder in Flexionsformen des selben Wortes zeigt. Auch eine Übereinstimmung gleicher Suffixe ist möglich.

Beispiel:
Es ist ein kräftezährender Lauf.
Die Teilnehmer laufen und laufen.
Sprachnudel (2005-2023), Ein Lauf

4.4.5 Ohrenreim

Orthographisch betrachtet (dem Schriftbild nach) reimen sich die Wörter bei einem Ohrenreim nicht. Phonetisch betrachtet (ihrer Aussprache bzw. der Klangfarbe ihrer Laute nach) tun sie es aber doch.

Beispiel:
Ich rief sie an mit meinem Phone.
Sie sprach mit mir auf dem Balkon.
Sprachnudel (2005-2023), Sie

4.4.6 Umgekehrter Reim

Der umgekehrte Reim ist eine Mischung aus Schüttelreim und grammatischem Reim. Hierbei reimen sich Wörter, bei denen einzelne Buchstaben der Reimwörter ausgetauscht werden.

Beispiel:
wundern - wurden

4.4.6 Vexierreim

Der Vexierreim ist der Reim des "Erwartens", bei dem der Leser ein bestimmtes Reimwort erwartet, es aber ausbleibt. Häufig ist das erwartete Reimwort frivoler Natur.

Beispiel:
Am Angelhaken hängt ein riesen Barsch,
verdammt, warum juckt mir jetzt der Fuß.
Sprachnudel (2005-2023), Am Angelhaken

4.4.7 Zwillingsreim

Beim Zwillingsreim reimen Wörter mit gleichen Buchstaben. Durch Worttrennung oder Trennung einzelner Buchstaben ändert sich die Reihenfolge der Buchstaben zwar nicht, jedoch stehen sie dadurch nicht immer an gleicher Stelle, wodurch anhand von kleinen Änderungen unterschiedliche Wörter entstehen, die einer Verszeile eine völlig neue Bedeutung geben können.

Beispiel:
Böse Diebe klauten Waren,
Böse die Beklauten waren.
Günter Nehm (1926-2009), Zwillingsreime

4.5 Reimfolge - Reime nach vertikaler Reimanordnung

Betrachtet man ein Gedicht vom Anfang bis zum Ende (vertikal), lassen sich verschiedene Reimanordnungen erkennen. Die wesentlichen Merkmale dieser Anordnungen werden als "Reimschema" zusammengefasst.

4.5.1 Definition: Was ist ein Reimschema?

Als Reimschema bezeichnet man die Reimfolge in einer Strophe oder in einem Gedicht. Hieran lässt sich erkennen, in welcher Abfolge sich Verse reimen. Da einzelne Verse in Gedichten meist durch Endreime miteinander verbunden werden, kann man bei der Betrachtung dieser Reimart schnell ein Muster bzw. System ableiten - das Reimschema.
Reimschemen rsp. Reimschemata unterliegen der metrischen Notation, die für die Darstellung der Struktur von Gedichten verwendet wird. Hierbei entspricht jeder Vers einem (Klein-)Buchstaben. Man verwendet gleiche Buchstaben für reimende Verse und unterschiedliche Buchstaben für nicht reimende Verse (sogenannte Waisen).
Großbuchstaben werden nur für besondere Reimformen genutzt, wozu bspw. der Kehrreim gehört.

4.5.2 Welche Reimschema gibt es?

Es gibt zahlreiche Reimschema Arten. Dazu zählen:

4.5.2.1 Haufenreim

Ein Haufenreim reimt sich nicht nur am Ende zweier Verse sondern mehrmals. Der Reim kann sich sogar über eine gesamte Strophe oder ein mehrstrophiges Gedicht wiederholen.

Reimschema: aaaa

Beispiel:
(a) Eine Blume steht einsam am Straßenrand,
(a) lieber wäre sie im saftigen Grasland.
(a) Sehet, diese kleine, niedliche Patschhand.
(a) Sie nähert sich der Blume ohne Stillstand.
(a) Hilfe, hilfe, es gibt berechtigten Einwand!
(a) Zu spät, sie ist weg - ganz ohne Rückstand.
Sprachnudel (2005-2023), Zack und weg

4.5.2.2 Kehrreim

Bei einem Kehrreim - auch Refrain genannt - wiederholen sich entweder ganze Verse oder Versgruppen in einem Gedicht oder einzelne Wörter oder Wortgruppen. Im Reimschema wird der Kehrreim mit einem "K" markiert. Je nachdem an welcher Position ein Kehrreim steht, unterscheidet man nach:

  • Anfangskehrreim - steht am Anfang jeder Strophe, Reimschema: KKaabb
  • Binnenkehrreim - steht im Inneren jeder Strophe, Reimschema: aaKKbb
  • Endkehrreim - steht am Ende jeder Strophe und ist die am Häufigsten genutzte Form des Kehrreims, Reimschema: aabbKK
  • Periodische Kehrreim - steht nicht in jeder Strophe, Reimschema: aabb ccddKK eeff gghhKK)
  • Binnenstrophige Kehrreim - steht einmalig innerhalb einer Strophe, Reimschema: aabbcc ddKKeeKKff

Beispiel für einen Endkehrreim:
(a) Wow, bin ich schlau!
(a) Warum find' ich keine Frau?
(b) Manch Dame will 'nen reichen Mann.
(b) Das ist, was ich nicht bieten kann.
(K) Drum leb' ich wohl alleine.
(K) Auch Freunde hab' ich keine.

(a) Ich bin sogar ganz lieb und nett,
(a) und absolut kein bischen fett!
(b) Aber Humor - den hab' ich nicht in petto.
(b) Zudem wohn' ich im Ghetto.
(K) Drum leb' ich wohl alleine.
(K) Auch Freunde hab' ich keine.

Sprachnudel (2005-2023), Einsamkeit
4.5.2.3 Kettenreim

Der Kettenreim - auch Terzinenreim oder geflochtener Reim genannt - verbindet Reimgruppen aus drei Versen (Terzinen-Strophe) miteinander. Hierbei reimt der mittlere Vers (die augenscheinliche Waisenzeile) der ersten Strophe mit dem ersten und dritten Vers der zweiten Strophe. Alle Folgestrophen werden nach dem selben Muster aufgebaut.

Reimschema: aba bcb cdc

Beispiel:
(a) Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
(b) ich mich in einen finstern Wald verschlagen,
(a) Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.

(b) Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen,
(c) Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Not;
(b) Schon der Gedank’ erneuert noch mein Zagen.

(c) Nur wenig bitterer ist selbst der Tod;
(d) Doch um vom Heil, das ich drin fand, zu künden,
(c) Sag’ ich, was sonst sich dort den Blicken bot.

Dante Alighieri (1265-1321), Die Göttliche Komödie
4.5.2.4 Kreuzreim

Beim Kreuzreim - auch Wechselreim oder umschlagender Reim genannt - reimen die Verse bei Gedichten mit einer geraden Anzahl an Versen alternierend. Es reimen also die ungeraden Verszeilen und die geraden Verszeilen miteinander. Kreuzreime werden meist in einer vierzeiligen Strophe verwendet.

Reimschema: abab

Beispiel:
(a) Das Haus ist grau,
(b) die Blumen sind farbenfroh,
(a) blau ist der Pfau,
(b) froh ist dieser nur mit Stroh.
Sprachnudel (2005-2023), Kreuzreim

4.5.2.5 Paarreim

Bei einem Paarreim reimen sich zwei aufeinander folgende Verse, die auch als Reimpaar bezeichnet werden.

Reimschema: aabb

Beispiel:
(a) Franz aß einen Hecht,
(a) der Fisch war schlecht.
(b) Nun vomiert er frontal,
(b) das ist fatal.
Sprachnudel (2005-2023), Echt übel

4.5.2.6 Schweifreim

Der Schweifreim - auch Zwischenreim genannt - besteht aus sechs Versen. Er beginnt mit einem Paarreim auf den ein umarmender Reim folgt.

Reimschema: aabccb

Beispiel:
(a) Die Bö durch die Wolken bricht,
(a) der Wind treibt Gischt mir in die Plicht,
(b) Lenzen fordert 'ne weitere Hand;
(c) der Wind jetzt schwenkt nach NordNordWest,
(c) ich hole rasch das Groß nun fest
(b) und steuere zurück auf's Land.
Sprachnudel (2005-2023), Die Bö

4.5.2.7 Umarmender Reim

Von einem umarmenden Reim - auch umschließender, umfassender oder eingebetteter Reim sowie Blockreim oder Spiegelreim genannt - spricht man, wenn ein Reimpaar (bb) von einem Reim (aa) umschlossen wird.

Reimschema: abba

Beispiel:
(a) Was raschelt da im dunklen Eck?
(b) Jetzt bräucht' ich eine Lampe.
(b) Sonst fall' ich von der Rampe
(a) und lande dann im Dreck.
Sprachnudel (2005-2023), Im dunklen Eck

4.5.2.8 Verschränkter Reim

Beim verschränkten Reim sind die Reimpaare aa, bb und cc wechselweise ineinander verschoben. Es reimen drei aufeinanderfolgende Verse auf die nächsten drei Verse.

Reimschema: abcabc

Beispiel:
(a) Hier liegt herum ein Osterei,
(b) das Kindern eine Freude macht.
(c) Es wurde wohl vergessen.
(a) Ich höre schon den Aufschrei:
(b) wo ist sie hin, die Eierpracht?
(c) Ich hab' sie aufgegessen.
Sprachnudel (2005-2023), Das Osterei

4.6 Sonderform: Stabreim

Der Stabreim stammt aus der germanischen Dichtung und gilt als deutsche Bezeichnung für: Alliteration. Die Alliteration zeichnet sich durch ein Hervorheben von aufeinanderfolgenden Wörtern durch einen gleichen Anlaut der betonten Silben aus. Deshalb gehört der Stabreim auch zu den Lautreimen.
Vom Stabreim spricht man heutzutage jedoch nur noch in historischem Kontext. Er ist mittlerweile überwiegend als Alliteration in Form eines Stilmittels bekannt.

Beispiele:
Manfred mag Mettwurst mit Meerrettich.
Svenja sagt: "Schafskäse schmeckt scheußlich!"

Über den Autor
Silvan Maaß ist Diplom-Kommunikationswirt (dab) sowie Mitbegründer der Sprachnudel, wodurch er sich seit über 17 Jahren beinahe täglich mit angewandter Linguistik und Wortschatzentwicklung beschäftigt. Die Lebendigkeit der Sprache hat es ihm besonders angetan. Daher interessiert er sich insbesondere für Themenfelder der Linguistikforschung wie bspw. Okkasionalismen und Neologismen.