Anglizismen & Denglisch

Betrachtet man eine aktuelle Stellenanzeige oder einen Werbespot, so fragt man sich oft: Ist das noch "Made in Germany"? Denn immer mehr deutsche Wörter, Ausdrücke und Redensarten werden beeinflusst durch das Sprachsystem des Englischen. Kritiker würden gar von einer Unterwanderung sprechen. In nahezu alle Lebensbereiche, vom Job über den Sport bis hinein in den Kulturbereich, sind diese Anglizismen - abwertend auch als Denglisch bezeichnet - bereits vorgedrungen. Man denke nur an den "One-Night-Stand" oder das seit der Fußball-WM 2006 immer beliebter werdende "Public Viewing". Besonders geprägt hiervon ist allerdings die Jugendsprache, die Trends aus dem englischsprachigen Raum am schnellsten aufgreift und in den deutschen Sprachgebrauch mit einfließen lässt. Aber auch in der Werbung macht man von Anglizismen regelmäßig Gebrauch.
Gerade ältere Menschen reagieren Anglizismen gegenüber oft mit Unverständnis. Vielerorts wurde sogar schon über den Verlust der deutschen Sprache sinniert. Daher wird es höchste Zeit, einmal zu beleuchten, was es mit den Anglizismen genau auf sich hat.

INHALTSVERZEICHNIS

1. Definition: Was sind Anglizismen?

Um über das sprachliche Phänomen der Anglizismen reden zu können, muss zuerst der Versuch einer Definition unternommen werden:

2. Wie erkennt man Anglizismen?

Die meisten Anglizismen weisen spezifische Merkmale auf, anhand derer sie als Entlehnung erkannt werden können. Achte bei der Untersuchung eines Wortes vordergründig auf folgende Dinge:

  • Buchstabenverbindungen, die ungeläufig oder "undeutsch" erscheinen. Das können bspw. Vokalkombinationen aus "ea" (Team), "oa" (Toaster), "oo" (cool) oder "ui" (Bodybuilding) sein.
  • Begriffe mit bestimmten Konsonantenkombinationen, die ebenfalls ungeläufig oder "undeutsch" erscheinen wie bspw. "sh" (Cash)
  • Auch die Verwendung eines "y" ist bei englischstämmigen Wörtern sehr verbreitet (Display).

3. Wie werden Anglizismen geschrieben?

Bei der Schreibweise eines Anglizismus gibt es sowohl im alltäglichen Gebrauch als auch im Berufsjargon folgende Realisierungsvarianten:

  • Zusammen oder mit Bindestrich: Besteht ein Anglizismus aus zwei Substantiven, so hast du die freie Wahl zwischen der zusammengeschriebenen und der Bindestrich-Version: Sowohl "Callcenter" als auch "Call-Center" sind richtig.
  • Zusammen oder getrennt ohne Bindestrich: Ähnliches gilt für eine Kombination aus einem Adjektiv und einem Substantiv, die getrennt wie auch zusammengeschrieben werden kann. Hier liegt die Betonung auf dem Adjektiv.
    Beispiele: "Small Talk" und "Smalltalk" oder "Hot Dog" und "Hotdog"
  • Getrennt ohne Bindestrich: Soll bei einem Anglizismus das Substantiv betont werden, stehen beide Wörter in der Regel für sich und werden großgeschrieben.
    Beispiele: "Social Media" oder "Virtual Reality"
  • Mit Bindestrich: Ab und an werden Substantive und Verben auch mit Konjunktionen oder Präpositionen verbunden. In diesen Fällen kommt ein Bindestrich als verknüpfendes Element zum Einsatz.
    Beispiele: "Drive-in", "Check-in" und "Make-up".
  • Nomen ändern lediglich ihren Anfangsbuchstaben. Aus klein wird groß.
    Beispiele: hardware (englisch), Hardware (deutsch)
  • Verben ändern in der Regel ihre Endung in -n oder -en.
    Beispiele: to cruis (englisch), cruisen (deutsch) und to foot (englisch), footen (deutsch)
  • Ohne Veränderungen: Feste Wendungen wie "do it youself" oder "up to date" werden deckungsgleich aus dem Englischen übernommen.

4. Anglizismen Beispiele: Wo werden Anglizismen verwendet?

In einigen Lebensbereichen ist es wahrscheinlicher, auf eine Vielzahl von Anglizismen zu treffen, da diese meist über (globale) Netzwerke funktionieren und entsprechend von vielen verstanden werden müssen. Dazu zählen:

5. Wie werden Anglizismen unterschieden?

Anglizismus ist nicht gleich Anglizismus. Aufgrund des variablen Veränderungsgrades eines zugezogenen Wortes lassen sich hier diverse Unterkategorien aufmachen:

5.1 Lehnwort (Wortentlehnung)

Bei einer Wortentlehnung etwa handelt es sich um ein aus einer anderen Sprache, zum Beispiel dem Englischen, übernommenes Wort, das allerdings in das deutsche Grammatiksystem eingegliedert worden ist. Dies betrifft häufig die Flexion, also die Unterscheidung nach Singular und Plural, nach dem Geschlecht und nach der grammatischen Kategorie, dem "Fall". Beispiele für eine Wortentlehnung sind etwa "Internet" und "Laptop" - es sind Begriffe aus dem englischen Vokabular, die in einem deutschen Satz aber individuell flektiert werden, beispielsweise in einer Konstruktion, die ein Genitiv erfordert, wie: "das Kabel des Laptops".

5.2 Lehnübersetzung

Davon zu unterscheiden ist die sogenannte Lehnübersetzung. Hierbei wird der englische Begriff einfach in all seinen Bestandteilen ins Deutsche übersetzt. Als oft genanntes Beispiel wäre "Gehirnwäsche" von engl. "brain wash" zu nennen, aber auch bei "Flutlicht" von engl. "flood light" funktioniert es synchron. Es handelt sich also diesbezüglich im engeren Sinne nicht um die Übernahme eines englischen Wortes, sondern um eine deutsche Wortneubildung nach dem Vorbild des englischen Prototyps.

5.3 Lehnübertragung

Eine leicht abgeschwächte Form der Lehnübersetzung ist die Lehnübertragung, denn in diesem Fall erfolgt keine deckungsgleiche Umwandlung eines Wortes, sondern lediglich die Übernahme der "Idee", die hinter dem englischen Ausdruck steckt. Der englische "skyscraper" ist eben nicht der deutsche "Himmelkratzer", sondern ein "Wolkenkratzer". Das Sinnbild hinter der Benennung bleibt erhalten, auch wenn keine Wort-zu-Wort-Übersetzung vorliegt.

5.4 Lehnbedeutung

Anders verhält es sich mit der Lehnbedeutung. In diesem Zusammenhang existiert eigentlich bereits ein deutscher Ausdruck, der jedoch um eine weitere Bedeutung, welche der Begriff bisher nur im Englischen hatte, erweitert wird. Als Beispiel kann das Verb "realisieren" herangezogen werden, das ursprünglich nur meinte, dass eine Sache bemerkt wird. In Anlehnung an die zusätzliche englische Bedeutung von "to realize" = "realisieren" wird das Wort im Deutschen nun auch verwendet, um auszudrücken, dass etwas verwirklicht wird.

5.5 Scheinanglizismus

Übrigens gibt es auch Anglizismen, die in der deutschen Sprache eigentlich missverständlich benutzt werden. Sogenannte "falsche Freunde" rsp. "Scheinanglizismen" haben zumeist eine ganz andere Bedeutung, als sich zunächst annehmen ließe, oder aber sie existieren überhaupt nicht im Englischen. Zahlreiche Begriffe wie "Handy", "Oldtimer" oder "Smoking" gehören heutzutage ganz selbstverständlich zum deutschen Wortschatz, obgleich sie in ihrer vermeintlichen Ursprungssprache gar nicht geläufig sind.

6. Denglisch - Ein sprachliches No-Go?

Die gerade erwähnten Scheinanglizismen dienen den Anglizismus-Kritikern als stichhaltiges Argument im Hinblick auf die vorgebliche Degradierung des Deutschen durch britische und amerikanische Einflüsse. Der stark negativ aufgeladene Begriff, den sie dafür verwenden, ist "Denglisch". Wer diesen Ausdruck benutzt, bemängelt vordergründig die Überlastung der Sprache mit englischem Vokabular, verweist jedoch zusätzlich darauf, dass durch das Anglo-Amerikanische auch orthographische Eigenheiten wie der apostrophierte Plural immer mehr Einzug in die deutsche Sprache erhalten, etwa wenn von "den LKW's" statt "den LKWs" die Rede ist. Diese Debatte führt zwangsläufig zu der Frage: Sind Anglizismen denn nun gut für den Reichtum oder schlecht für das Renommee einer Sprache?

7. Anglizismen - Top oder Flop? Der Streit um die deutsche Sprache

Viele Anglizismen sind im deutschen Sprachsystem inzwischen derart verankert, dass es zum Beispiel seltsam wäre, von "elektrischen Briefen" statt von "E-Mails" zu sprechen. Dennoch wird seit einiger Zeit hitzig über die Anglo-Amerikanisierung des deutschen Vokabulars diskutiert. In einer Umfrage von 2016 - durchgeführt durch das Meinungsforschungsinstitut "YouGov" - waren fast drei Viertel der Befragten mit ausreichenden Englisch-Kenntnissen der Meinung, dass zu viele Anglizismen ins Deutsche eingezogen sind.
Das liegt wohl vor allem daran, dass Menschen grundsätzlich die eigene Sprache als eine Art Statussymbol wahrnehmen, das Identität stiftet und ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen Sprechern dieser Gruppe erzeugt. Dabei haben Anglizismen teilweise dieselbe Funktion. Ihr Gebrauch soll ausdrücken: Ich bin global und kann deshalb mit Englisch als Weltsprache in eine universale Kommunikation eintreten. Aus diesem Grund setzen auch viele deutsche Firmen, die einen Anspruch auf Teilnahme am Weltmarkt erheben, auf englische Slogans. Der Schokoladenhersteller "Lindt" etwa warb mit der Wortspiel-Kombination "Nice to sweet you" für seine Schokolade.

Einflüsse aus anderen Sprachen sind übrigens kein neues Phänomen. Im 19. Jahrhundert etwa fand bereits die übermäßige Verwendung französischer oder lateinischer Wörter ihrerseits Kritiker. Es existierten sogar Listen mit deutschen Wortneuschöpfungen, die fremdsprachliche Ausdrücke wie "Billett" ersetzen sollten. Durchgesetzt haben sie sich allerdings nicht - zurecht, wie viele Sprachwissenschaftler heute meinen. Denn eine Sprache ist immer dynamisch und unterliegt kontinuierlichen Veränderungen.
So gehören Deutsch und Englisch tatsächlich zur selben sprachlichen Untergruppe des Germanischen und haben dementsprechend denselben Ursprung. Dennoch machten Anglizismen in der deutschen Sprache im Jahr 1986 (Zeitpunkt der neuesten Datenerhebung) "nur" etwa 3% aller im Duden aufgenommenen Wörter aus. Eine kulturpolitische Wendung hin zu einer Sprachquote oder anderen Verdeutschungen ist also gar nicht nötig, auch wenn der Anglizismen-Anteil mittlerweile gewachsen sein dürfte. Hinzu kommt: das auf dem Duden basierende Standarddeutsch spricht ehrlicherweise ohnehin kaum jemand.

8. Anglizismen Liste

Die folgende Liste enthält knapp 4.000 Anglizismen. Viel Spaß beim Stöbern!

Über den Autor
Silvan Maaß ist Diplom-Kommunikationswirt (dab) sowie Mitbegründer der Sprachnudel, wodurch er sich seit über 17 Jahren beinahe täglich mit angewandter Linguistik und Wortschatzentwicklung beschäftigt. Die Lebendigkeit der Sprache hat es ihm besonders angetan. Daher interessiert er sich insbesondere für Themenfelder der Linguistikforschung wie bspw. Okkasionalismen und Neologismen.