Unter Zuschauereffekt (auch Bystander-Effekt, englisch: bystander effect, auch non-helping-bystander effect oder Genovese-Syndrom) versteht man das Phänomen, dass einzelne Augenzeugen eines Unfalls oder kriminellen Übergriffs mit nachlassender Wahrscheinlichkeit eingreifen oder Hilfe leisten, wenn weitere Zuschauer (engl. bystander „Dabeistehender“) anwesend sind bzw. hinzukommen.
Der Ausdruck Genovese-Syndrom rührt her von der US-Amerikanerin Kitty Genovese, die 1964 auf dem Weg zu ihrem Wohnhaus in New York City einem Mordanschlag zum Opfer fiel, der sich über etwa eine halbe Stunde hinzog und an verschiedenen Orten geschah. Mindestens 38 Personen aus der Nachbarschaft sollen den Mord bemerkt und den Überfall beobachtet haben, ohne dass der jungen Frau jemand zu Hilfe kam.
Diese Annahme beruht allerdings auf einer Falschmeldung. Aufgrund des Grundrisses des Gebäudes und der Tatsache, dass jeder Angriff durch Genoveses Versuch, ihrem Angreifer zu entkommen, an einem anderen Ort stattfand, war es keinem Zeugen möglich gewesen, den gesamten Angriff mitzuverfolgen. Die meisten hörten nur Teile des Geschehnisses, ohne die Ernsthaftigkeit der Lage zu erkennen, einige wenige sahen nur einen geringen Anteil des anfänglichen Übergriffes, und es gab keine Zeugen, die die letztendliche Vergewaltigung und den Angriff im äußeren Flur sahen, der zu Genoveses Tod führte.
Nichtsdestotrotz veranlasste der Mord an Genovese die Psychologen John M. Darley von der New York University und Bibb Latané von der Columbia University, das Nichteingreifen der Zeugen wissenschaftlich zu untersuchen. Als Hauptursachen des Verhaltens identifizierten sie Aufteilung der Verantwortung und „Pluralistische Ignoranz“. Die Arbeiten von Darley und Latané motivierten zu etlichen weiteren sozialpsychologischen Studien über prosoziales Verhalten. Forschungen zu den Gründen unterlassener Hilfeleistung betonen in starkem Maße auch die Bedeutung von Gruppenprozessen und Gruppendynamik.